Die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns war in Deutschland stets ein heiß diskutiertes Thema. Nach hitzigen Diskussionen zu diesem Thema trat am 16. August 2014 das Mindestlohngesetz (MiLoG) in Kraft, welches einen Mindestlohn von 8,50 Euro (brutto) die Sunde ab dem 1. Januar 2015 vorsah. Seither wurde der Mindestlohn zweimal erhöht und eine weitere Erhöhung ist für den 1. Januar 2020 vorgesehen. Aktuell beträgt der geltene Mindestlohn 9,19 Euro die Stunde.
Wie kam es zur Einführung des allgemeinen Mindestlohns?
Seit dem Jahr 1996 gab es in Deutschland in verschiedenen Branchen tarifliche Branchenmindestlöhne, die gemäß dem Arbeitnehmerentsendegesetz eingehalten werden sollten. Ursprünglich wurde das Entsendegesetz auf den Weg gebracht, um den Wettbewerbsschutz für Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Deutschland hinsichtlich der stärker werdenden Konkurrenz gegenüber den im Ausland ansässigen Unternehmen, die grenzüberschreitende Dienstleistungen anbieten, sicherzustellen. Gemäß des Entsendegesetzes mussten abgeschlossene Tarifverträge eingehalten werden. Allerdings war die Voraussetzung dafür, dass die Mindestlöhne aus den Tarifverträgen eingehalten wurden, dass überhaupt Tarifverträge geschlossen wurden. Doch nicht in allen Branchen gab es zu diesem Zeitpunkt überhaupt Tarifverträge.
So gab es beispielsweise im Hotel- oder Gaststättengewerbe keine bundesweiten Tarifverträge. Lediglich in 11 Branchen gab es im Januar 2014 Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz. In der Folge verabschiedeten viele Bundesländer eigene Vergabe- und Mindestlohngesetze. Doch diese landespolitischen Maßnahmen waren nach bundespolitischer Ansicht nicht ausreichend, um die sinkende Tarifbindung einzudämmen. Daher wurde im Sommer 2014 von Bundestag und Bundesrat das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie verabschiedet, welches den Weg für das Mindestlohngesetz ebnete. Auf dessen Grundlage galt ab dem 1. Januar 2015 für alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 brutto pro Stunde. Zum 1. Januar 2017 wurde der Mindestlohn pro Stunde dann auf 8,84 Euro brutto erhöht und eine weitere Erhöhung fand zum 1. Januar 2019 statt. Derzeit beträgt der Mindeslohn je Zeitstunde 9,19 Euro brutto.
Unterschied gesetzlicher Mindestlohn und Branchenmindestlohn
Durch den Mindestlohn wird die absolute Lohnuntergrenze in Deutschland festgelegt. Es gibt jedoch die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, seinem Arbeitnehmer einen höheren Stundenlohn zu zahlen. Dies kann dann der Fall sein, wenn durch einen Tarifvertrag ein höherer Branchenmindestlohn vereinbart wurde. Tarifverträge werden in der Regel zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden vereinbart. Verpflichtend ist der in den Tarifverträgen vereinbarte Stundenlohn für alle beteiligten Tarifpartner. Auch der tarifvertraglich vereinbarte Lohn stellt eine Lohnuntergrenze dar und die individuelle Vereinbarung eines höheren Lohns ist daher problemlos möglich.
Wer hat in Deutschland einen Anspruch auf Mindestlohn?
Grundsätzlich sind alle Arbeitnehmer vom Geltungsbereich des Mindestlohns erfasst. Es gibt jedoch Ausnahmen, die in § 22 MiLoG niedergeschrieben wurden. So sind zwar Praktikanten und Praktikantinnen grundsätzlich in den Geltungsbereich des MiLoG miteinbezogen, doch bestimmte Praktikantenverhältnisse sind von diesem ausgeschlossen.
So werden Praktikanten, die ein verpflichtendes Praktikum absolvieren, beispielsweise im Rahmen eines Studiums oder einer Ausbildung, von der Mindestlohnregelung ausgeschlossen. Das Gleiche gilt für Praktikanten, die ihr bis zu 3 Monate andauerndes Praktikum absolvieren, um sich hinsichtlich ihrer zukünftigen Berufsausbildung oder ihres Studiums zu orientieren. Auch Praktikanten, die ihr Praktikum im Rahmen einer sogenannten Einstiegsqualifizierung oder als berufsausbildungsvorbereitende Maßnahme verrichten, unterliegen nicht den Mindestlohn-Vorschriften. Solche Einstiegsqualifikationen werden häufig von der Arbeitsagentur gefördert.
Jugendliche unter 18 Jahre, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben, können keinen Mindestlohn verlangen. Zudem haben Auszubildende, sowie ehrenamtlich Beschäftigte keinen Anspruch auf die Zahlung von Mindestlohn. Volontäre fallen ebenfalls nicht unter die Mindestlohnregelungen, wenn ihre Tätigkeit in einem Medienunternehmen mit einer Berufsausbildung gemäß dem Berufsbildungsgesetz vergleichbar ist.
Wer vor Aufnahme einer Beschäftigung als Arbeitnehmer länger als ein Jahr arbeitslos war, greift ihr Anspruch auf Zahlung von Mindestlohn in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung noch nicht.
Ebenfalls nicht berechtigt, für ihre Arbeitsleistung einen Mindestlohn zu erhalten, sind Strafgefangene, die in einer Haftanstalt arbeiten.
Arbeitet eine Person in einer Werkstatt für behinderte Menschen und ist dort nicht als Arbeitnehmer beschäftigt, sondern befindet sich vielmehr in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis zu ihr, dann hat diese Person keinen Anspruch auf Mindestlohn.
Selbstverständlich greift das Mindestlohngesetz ebenfalls nicht im Hinblick auf die Vergütung von Selbstständigen, sondern betrifft nur Arbeitnehmer.
Welche Vor- und Nachteile bringt der Mindestlohn mit sich?
Hinsichtlich der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns und auch nach der Verabschiedung des Mindestlohngesetzes wurden die Vor- und Nachteile dieses Themas kontrovers diskutiert. Dabei wird der Mindestlohn auf den unterschiedlichsten Ebenen und von verschiedenen Interessengruppen diskutiert. Die wichtigsten Argumente für und gegen Mindestlohn sollen kurz gegenübergestellt werden.
Argumente Pro Mindestlohn:
- Lohndumping kann eingedämmt werden
- Schutz vor Arbeitskräften aus Niedriglohnländern; diese müssen in Deutschland nämlich genauso entlohnt werden
- mehr Gerechtigkeit: Wer einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht, sollte auch davon leben können
- sinkender Bindungskraft von Tarifverträgen wird entgegen gewirkt
- geringe Bezahlung von Berufseinsteigern wird verhindert
- Produktivität der Arbeitnehmer könnte durch höhere Bezahlung gefördert werden
- soziale und ökonomische Destabilisierung wird verhindert
- Mindestlohn kann grundsätzlich zur Konsumsteigerung führen
- Flankierung von Kombilöhnen
Argumente Contra Mindestlohn:
- Unternehmen müssen aus Kostengründen Arbeitsplätze abbauen
- Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland
- Verteuerte Dienstleistungen werden auf den Konsumenten abgewälzt
- Umgehung des Mindestlohns durch Verrechnung von Trinkgeld mit Gehalt o.ä.
- Eingriff in die Tarifautonomie, wodurch die Stellung von Gewerkschaften geschwächt wird
- erschwerter Einstieg bzw. Wiedereinstieg in die Arbeitswelt
Kritik an Mindestlohngesetz
Vor der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns gab es verfassungsrechtliche Bedenken an diesem Gesetz. Kritiker waren der Ansicht, dass das Mindestlohngesetz das Grundrecht der Tarifautonomie aus Art. 9 III. GG verletzt. Doch diese Argumentation der Mindestlohn-Kritiker konnte sich nicht durchsetzen. Vielmehr stellt der Mindestlohn lediglich eine sichernde Untergrenze für Arbeitnehmer dar. Da viele Arbeitgeberverbände sich in der Vergangenheit geweigert haben, Tarifabschlüssen zuzustimmen, müssen flächendeckend geltende Mindestlöhne an die Stelle von Tarifverträgen treten. In einigen Branchen war die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer auch nicht stark genug, um „faire“ Entgelte auszuhandeln. Zu ihren Gunsten müssen Mindestlöhne greifen. Branchenübliche Mindestlöhne können auch weiterhin individuell von den Tarifpartnern ausgehandelt werden.
Mittlerweile weiß man, dass kaum Beschäftigungsverluste und nur ein geringer Einfluss auf Tarifverhandlungen durch die Einführung des Mindestlohns verzeichnet werden konnte.
Schlechterstellung von Langzeitarbeitslosen
Ein weiterer Kritikpunkt an den Mindestlohn-Vorschriften betrifft die Schlechterstellung von Langzeitarbeitslosen. Diese können in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung nämlich noch keinen Mindestlohn verlangen. Kritikern zufolge wirke dies nicht nur demotivierend, sondern würde außerdem eine willkürliche Ungleichbehandlung darstellen, die eine Ausnutzung der Langzeitarbeitslosen begünstigen könnte. Die Arbeitnehmer wären der Willkür ihrer Arbeitgeber ausgeliefert und könnten nach 6 Monaten durch einen anderen Langzeitarbeitslosen ersetzt werden.
Auswirkungen des Mindestlohns
Mittlerweile hatten Arbeitnehmer und Arbeitgeber über 4 Jahre Zeit, Erfahrungen mit dem Thema Mindestlohn zu sammeln. Auch die Mindestlohnkommission ist damit beauftragt, welche Auswirkungen der Mindestlohn auf den Schutz von Arbeitnehmern, die Beschäftigung in bestimmten Branchen und Regionen oder die Wettbewerbsbedingungen in der Wirtschaft im Allgemeinen hat. In ihrem zweiten Bericht hat die Mindestlohnkommission festgestellt, dass der gesetzliche Stundenlohn am unteren Rand der Stundenlohnverteilung zu deutlichen Lohnsteigerungen geführt hat. Dies betrifft besonders Personen ohne Berufsausbildung, geringfügig Beschäftigte, Beschäftigte in kleineren Unternehmen, weibliche Beschäftigte und Beschäftigte in Ostdeutschland.
In diesem zweiten Bericht stellte die Mindestlohnkommission außerdem fest, dass sich im Jahr 2016 rund 750 Tsd Beschäftigungsverhältnisse unterhalb des Mindestlohn-Niveaus bewegt haben. Diese Zahlen stammen aus einer Datenerhebung des Statistischen Bundesamts. Laut einer anderen Quelle, dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, beträgt die Zahl der Menschen, die in 2016 weniger als 8,50 Euro, dem damaligen Mindestlohn verdienten, bei rund 1,8 Mil. Beschäftigten.
Die größten Auswirkungen hatte die Einführung des Mindestlohns auf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit.
In welchen Bereichen wird der Mindestlohn umgangen?
Es gibt Branchen und Arbeitsbereiche, in denen gesetzliche Schlupflöcher genutzt werden, wodurch die Umgehung des Mindestlohns möglich wird. Vor allen Dingen in den klassischen Niedriglohn-Branchen können solche Mindestlohn-Umgehungen verzeichnet werden. Dies betrifft beispielsweise das Hotel- und Gaststättengewerbe, die Gebäudereinigung, das Baugewerbe oder den Einzelhandel.
Bei Zeitungszustellern kann die Umgehung des Mindestlohns zum Beispiel dadurch erreicht werden, dass sie nicht mehr nach Stückzahl der ausgeteilten Zeitungen, sondern nach der Zeit, die man im Normalfall braucht, um die Zustellobjekte auszutragen. Die tatsächlich geleistete Arbeitszeit bleibt also gleich, während die Arbeitszeit auf dem Papier sich reduziert. Dieses Vorgehen kann als verdeckte Lohnkürzung eingestuft werden.
Auch im Taxigewerbe wird die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns häufig umgangen. Dies geschieht dadurch, dass lediglich die reine Fahrtzeit der angestellten Taxifahrer erfasst wird, während lange Standzeiten automatisch als Pause eingestuft werden. Werden diese Arbeitszeiten offiziell von der Buchhaltungssoftware erfasst, können die Behörden in der Regel nicht viel unternehmen.
Hinzu kommt noch, dass es in vielen, vor allem kleineren Betrieben als sinnlos gilt, den Arbeitgeber bei den zuständigen Behörden anzuschwärzen. Vor Gericht ziehen hauptsächlich Arbeitnehmer, die ihre Kündigung bereits eingereicht oder erhalten haben.
Ist der Mindestlohn in Deutschland hoch genug?
Der aktuelle geltende Mindestlohn von 9,19 Euro brutto die Stunde, sowie der ab dem 1.1.2020 geltende Mindestlohn in Höhe von 9,35 Euro brutto wird von vielen Gewerkschaften, Politikern und Armutsforschern als zu niedrig bezeichnet. Laut Wissenschaftlern des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) müsste ein angemessener und existenzsichernder Mindestlohn wesentlich höher sein. Orientieren sollte sich solch ein Mindestlohn idealerweise am mittleren Einkommen des Landes. In Großbritannien diskutieren Politiker darüber, ob der Mindestlohn 60 Prozent des mittleren Einkommens betragen sollte. Armutsforscher erklären, dass erst ab diesem Lohnniveau von einer existenzsichernden Entlohnung gesprochen werden kann.
Rechnet man diese Vorgaben auf den aktuellen Mindestlohn an, entsprächen die derzeit geltenden 9,19 Euro brutto lediglich 48 Prozent des mittleren Einkommens. Zum Vergleich: In Frankreich erreicht der Mindestlohn immerhin 62 Prozent des mittleren Einkommens. Folgt man dieser Rechnung weiter, müsste der Mindestlohn in Deutschland bei 11,45 Euro brutto liegen.
Auch die Gewerkschaft Verdi fordert einen deutlich höheren Mindestlohn. Schon zu Beginn des Jahres 2018 plädierte Verdi Chef Frank Bsirske für einen Mindestlohn von 10 Euro die Stunde. Diese Erhöhung bezeichnete der Verdi Chef als ökonomisch sinnvoll und für keinesfalls die Arbeitgeber und großen Branchen überfordernd.
Nimmt die Wirtschaftskraft eines Landes jedoch ab und ist in der Folge die Nachfrage nach Arbeitskräften rückläufig, dann kann ein zu hoher Mindestlohn gefährlich sein und zu einer höheren Arbeitslosigkeit führen. Vor allen Dingen im Hinblick auf weniger qualifizierte Arbeitskräfte kann ein zu hoher Mindestlohn negative Folgen haben.
Bislang hat der beständig steigende Mindestlohn nicht die Arbeitslosigkeit Geringqualifizierter auf einen Schlag erhöht. Die Einführung des Mindestlohns kann vielmehr als im Großen und Ganzen reibungslos beschrieben werden. Das könnte aber auch auf die zu diesem Zeitpunkt günstige wirtschaftliche Lage im Land zurückzuführen sein.
Zukünftig sollte also auch weiterhin darauf geachtet werden, dass bei der Festlegung der Höhe des Mindestlohns die Interessen der Arbeitnehmer, als auch die Interessen der Arbeitgeber, sowie die gesamtgesellschaftliche und wirtschaftliche Situation miteinbezogen werden. Nur durch eine behutsame Festlegung des Mindestlohns kann verhindert werden, dass die Zahl der Verlierer am Arbeitsmarkt sich auf Dauer erhöht.
Mindestlöhne in der Zeitarbeit
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) haben auch Leiharbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung eines Entgelts in Höhe des Lohns, das der Entleiher einem eigenen Arbeitnehmer mit einer vergleichbaren Tätigkeit zahlt. Dieser Grundsatz wird als Equal Pay bezeichnet. Findet jedoch ein Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Leiharbeitnehmer Anwendung, dann hat der Arbeitnehmer Anspruch auf diesen Tariflohn. Dieser Tarifvertrag greift auch dann, wenn der tariflich vereinbarte Lohn niedriger ist als das Geld, das der Arbeitnehmer bei Anwendung des „Equal Pay“ Grundsatzes bekommen würde.
Zum 1. April 2019 stieg der Mindestlohn in der im iGZ – DGB Tarifvertrag organisierten Zeitarbeitsbranche in den alten Bundesländern auf 9,79 Euro brutto die Stunde. In den neuen Bundesländern wird der Branchen Mindestlohn zum 1. Oktober 2019 auf 9,66 Euro erhöht. Ebenfalls im Oktober, wird der tarifvertraglich vereinbarte Zeitarbeitsmindestlohn in den alten Bundesländern auf 9,96 Euro brutto die Stunde angehoben.
Zum 1. April 2021 sollen Leiharbeiter in Ost- und Westdeutschland dann das gleiche Lohnniveau haben.